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Fermentieren: Uralte Technik, neuer Trend

Lesezeit: 7 Minuten September 10, 2025
Fermentieren: Uralte Technik, neuer Trend

Das Wichtigste auf einen Blick

Auch Sojasauce wird fermentiert

Fermentieren konserviert Lebensmittel mit Hilfe von Mikroorganismen – ohne Hitze, Essig oder Konservierungsstoffe. Das Ergebnis: längere Haltbarkeit, mehr Aroma, oft bessere Bekömmlichkeit und ein spannender „Umami-Kick“. Berühmte fermentierte Beispiele sind Sauerkraut du Kimchi. Was wie Küchenalchemie klingt, funktioniert zuhause erstaunlich unkompliziert. Bei Gemüse heißt es: sauber arbeiten, salzen, beschweren, mit Schraubdeckel schließen – den Rest erledigen die Mikroben.

In diesem Guide erfährst du

  • Wie Milchsäuregärung funktioniert – und warum Starterkulturen meist überflüssig sind
  • Wie sich Fermentation historisch entwickelt hat (und warum sie wieder so beliebt ist)
  • Welche Fermentationsarten es gibt – und was Gemüse, Joghurt, Käse, Bier & Essig technisch unterscheidet
  • Eine praxisnahe Anleitung (inkl. Salzrechner, Beschwerungs-Optionen, Deckel/Entgasung)
  • Beispiele für fermentierte Produkte aus aller Welt

Warum wir heute wieder fermentieren (und früher nie aufgehört haben)

Wer kennt es nicht: Zu viele Möhren aus dem Schrebergarten, eine ganze Kiste Rote Bete – was tut man, wenn man die Bete vor lauter Risotto und Salat nicht mehr sehen kann? Was heute „Zero Waste“ heißt, war früher pure Notwendigkeit: Fermentation half, Vorräte über den Winter zu retten, ohne Nährstoffe wegzukochen. Trendforscher nennen es „Comeback“, in Wirklichkeit ist es Tradition mit neuer Wertschätzung.

Milchsäurebakterien – die eigentlichen „Akteure“

Die Hauptarbeit leisten Milchsäurebakterien (LAB). Sie sitzen in erster Linie auf dem Gemüse selbst. Beim gründlichen, aber nicht übertriebenen Waschen bleibt genug davon erhalten. Wenn du das Gemüse kräftig in die Gläser presst, gelangen zusätzlich Mikroorganismen von der Haut deiner Hände hinein – das reicht als Startkultur. Extra-Starter sind im Regelfall nicht nötig.
So entsteht Sicherheit: Salz (typisch 1,5–2 %) und Sauerstoffabschluss begünstigen LAB, die Zucker zu Milchsäurevergären. Das senkt den pH-Wert, unerwünschte Keime haben keine Chance. Nebenbei entstehen Aromen, Kohlensäure und etwas Kohlensäure-Prickeln.

Fermentationsarten – gleiches Ziel, unterschiedliche Wege

„Fermentiert“ ist nicht gleich „fermentiert“. Hier die technischen Unterschiede kurz und klar:

  • Milchsäuregärung (Gemüse, Kimchi, Sauerkraut, manche Fermenttofus):
    Salz + Sauerstoffarmut → Milchsäurebakterien vergären Kohlenhydrate zu Milchsäure. Kein Erhitzen, keine Essigzugabe.

  • Hefegärung (Bier, Wein, Sauerteig):
    Hefen wandeln Zucker zu Ethanol und CO₂. Braucht andere Bedingungen und oft Starter (Hefen/Sauerteigkulturen).

  • Essigsäuregärung (Essig):
    Essigsäurebakterien oxidieren Ethanol zu Essigsäure – brauchen Sauerstoff. Technisch das Gegenteil der anaeroben Gemüsegärung.

  • Milchfermentation & Käse (Joghurt, Kefir, Käse):
    Spezifische Bakterienkulturen + definierte Temperaturen (Joghurt warm inkubiert). Käse zusätzlich mit Lab/Enzymen geronnen und gereift.
    Kurz: Gemüsefermentation ≠ Joghurt/Käse/Wein – anderer Prozess, andere Mikroben, andere Technik.

Anleitung: So gelingt Gemüsegärung zuhause

Du brauchst

  • Gemüse/Obst (z. B. Weißkohl, Rote Bete, Möhren, Rettich, Sellerie, Paprika, Kürbis, Apfel, Quitte)

  • Salz (Stein- oder Meersalz)

  • Saubere Schraubgläser (z. B. 500–1000 ml) mit intakten Schraubdeckeln

  • Beschwerung, damit alles unter Lake bleibt:
    – Glasfermentgewichte, kleine Untertasse, sauberes Glas-Teelicht, gewaschenes Kohlblatt plus sauberer Stein,
    – alternativ ein kleiner Zip-Beutel mit Wasser als flexible Beschwerung

  • (optional) Gärventil/Fermentierdeckel – praktisch, aber nicht zwingend

Salz & Lake – zwei gängige Methoden

  • Lake-Methode (für Stücke/Würfel):
    0 in Wasser lösen → 2 g pro 100 ml (also 20 g pro Liter).

  • Trocken-Salzen (für Kraut/fein Geraspeltes):
    Gemüse wiegen, 1,5–2 % Salz direkt untermischen und kneten, bis Saft austritt. Der eigene Saft wird zur Lake.

Schritt für Schritt

  1. Vorbereiten: Gemüse gründlich waschen, je kleiner geschnitten, desto schneller fermentiert es.

  2. Würzen: Gewürze/Kräuter wie zum Beispiel Fenchelsamen zuerst ins Glas (treiben sonst oben).

  3. Füllen & Pressen: Gemüse schichtweise einfüllen und kräftig nach unten drücken, Luftblasen vermeiden.

  4. Beschweren: Gewicht auflegen, damit alles unter Flüssigkeit bleibt.
    5a) Lake-Methode: Mit 2 % Lake bis knapp unter den Rand auffüllen.
    5b) Trocken-Salzen: Den ausgetretenen Saft nutzen; falls nötig mit etwas 2 %-Lake auffüllen.

  5. Verschließen: Mit Schraubdeckel schließen – handfest, nicht brutal fest, damit Gase entweichen können. Stelle das Glas auf einen Teller (Überlauf möglich).
  6. Reifen lassen: 18–22 °C, dunkel oder zumindest ohne Sonne/Heizung.
    Erste kostbare Säure nach ~2 Wochen, runder Geschmack meist ab 4 Wochen. Insgesamt 3–8 Wochen je nach Sorte und Vorliebe.

  7. Kalt stellen: Wenn es dir schmeckt, in den Kühlschrank – die Fermentation wird stark verlangsamt.

Hygiene, aber entspannt

„Sauber“ schlägt „steril“: Gläser heiß spülen, gut abtrocknen. Kein reaktives Metall in der Lake belassen. Hände waschen – aber keine Panik vor Mikroben: Genug Gutes bleibt auf Gemüse und Händen für einen stabilen Start.

Fehlerbilder & Rettung

  • Kahmhefe: auf der Oberfläche bildet sich manchmal ein dünner, mattgrauer Film, nicht flauschig → unbedenklich, einfach abschöpfen.

  • Schimmel: bunt/flauschig (grün, schwarz, rosa) → entsorgen.

  • Gemüse ragt aus der Lake → stärker beschweren oder mit Lake auffüllen.

Beispiele fermentierter Produkte (Auswahl)

Milchsäuregärung (gemüsebasiert):

  • Sauerkraut (Deutschland)
  • Kimchi (Korea)
  • Fermentierte Möhren/Rettich/Rote Bete/Sellerie
  • Gurken in Salzlake (ohne Essig)

Milchfermentation / Käse (mit Kulturen & definierter Temperatur):

  • Joghurt, Kefir
  • Käse (z. B. Camembert – Schimmelreifung)

Hefegärung:

  • Sauerteig (Brot)
  • Bier, Wein

Essigsäuregärung (aerob):

  • Essig (aus vergorenem Wein/Bier/Kombucha)

Kulturhistorischer Hintergrund

Die Milchsäuregärung hat ihren Ursprung im Orient und verbreitete sich weltweit. Vor der Kühlkette war sie Überlebensstrategie – in Europa (Sauerkraut, Sauerteig), Asien (Kimchi, Miso, Sojasauce) oder dem Kaukasus (Kefir). Heute wirkt sie gleich doppelt: kulinarisch (neue Aromen, Texturen) und ökologisch (Wertschätzung von Überschüssen statt Wegwerfen).

Fazit

Fermentieren ist einfacher als Einkochen, nährstoffschonend und geschmacklich eine Wucht. Wer sauber arbeitet, gut salzt, mit Schraubdeckel schließt, regelmäßig entgast und zuverlässig beschwert, wird belohnt: mit eigenem Kimchi, Kraut & Co. – von „zu viel Gemüse“ zu „zu gut, um es nicht zu machen“.

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FAQs

Wie salze ich „richtig“?

Für Stücke 2 % Lake (20 g Salz/Liter). Für Kraut 1,5–2 % Salz bezogen auf das Gemüsegewicht.

Wie warm sollte es sein?

Ideal 18–22 °C. Höher = schneller, aber oft gröber im Aroma. Kühler = langsamer, feiner.

Wie lange fermentiert das?

Erste Säure nach ~2 Wochen, typischer „Sweet Spot“ 4–6 Wochen. Abschmecken ist Pflicht.

Ist jodiertes Salz verboten?

Nein. Viele nutzen reine Stein-/Meersalze, aber jodiertes funktioniert in der Praxis ebenfalls.

Gesundheit – was ist dran?

Fermentiertes Gemüse ist oft bekömmlicher (z. B. Kohl), liefert lebendige Kulturen. Histamin-Intoleranz? Bitte vorsichtig testen.